Staatssekretär Florian Toncar MdB diskutiert mit Bürgermeistern

Die FDP Oberkirch-Renchtal und die FDP Ortenau haben zu einem Liberalen Forum Spezial nach Oberkirch in die Burgwirtschaft Schauenburg geladen. Thema des Abends, zu dem über 50 Interessierte kamen, war „Finanzpolitik bis Kämmerei: Inflation, Preissteigerungen und unsichere Weltlage, finanzpolitische Herausforderungen für Bund und Kommunen.“ Als Experten waren Florian Toncar, FDP-Bundestagsabgeordneter und parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen, Thomas Krechtler, Kreisrat und Bürgermeister von Lautenbach, sowie Gregor Bühler, Kreisrat und Bürgermeister von Sasbach geladen.

Unter den Gästen waren auch mehrere Stadträte und politische Vertreter der FDP, CDU und der Fraktion „Bürger für Oberkirch“. Eröffnet wurde die Gesprächsrunde vom FDP-Kreisvorsitzenden Johannes Baier, der auch die Moderation des Abends übernahm wie auch dem Vorsitzenden der FDP Oberkirch und stellv. Bezirksvorsitzenden Dr. Johannes Huber. Baier erklärte, dass man sich wohl, unabhängig von Parteizugehörigkeit und politischen Meinungen, darin einig sei, dass Deutschland vor enormen Herausforderungen stehe. „Ich möchte aber auch positiv sein: Mit unserer Willens- und Schaffenskraft, eingebettet in ein starkes Europa und die internationale Wertegemeinschaft sind wir in der Lage gestärkt aus diesen Krisen hervorzugehen“, so Baier. Dr. Huber erläuterte in seinem Grußwort die großen Herausforderungen für die kleinen und mittelständischen Betriebe in der Region. Hierbei machen sich nicht nur die Materialknappheit und Inflation bemerkbar, sondern auch ein enormer Fachkräftemangel der die Betriebe unter Druck setzt. Es brauche daher weitere Entlastungen, so Huber.

Darauffolgend übernahm Bürgermeister Thomas Krechtler das Wort. In einem Impulsvortrag aus Sicht der Kommunen erläuterte Krechtler die enormen Herausforderungen für die Kommunen anhand der Bildungspolitik. In Lautenbach stehen aktuell ein 5-gruppiger Kindergarten und ein Waldkindergarten zur Verfügung und dennoch ist auch in einer kleinen Gemeinde wie Lautenbach eine Warteliste für den U-3 Bereich erforderlich. Zudem besteht auch hoher Personalbedarf. Bei den Schulen muss ebenfalls viel in die Gebäudeinfrastruktur investiert werden, so beispielsweise in die Digitalisierung oder die energetische Sanierung der Gebäude. Finanzmittel erfordern auch die Folgen des Klimawandels, beispielsweise für verbesserten Hochwasserschutz. „Die Kommunen stehen vor der Herausforderung Steuerausfälle von knapp 20 Milliarden Euro kompensieren zu müssen – aber weiterhin muss in die Infrastruktur investiert und aktuell wieder viele Kriegsflüchtlinge versorgt werden.“ Die Folgen durch den Gasmangel seien noch nicht absehbar, so Krechtler abschließend.

Der nächste Impulsvortrag folgte von Gregor Bühler, Bürgermeister der Gemeinde Sasbach. Auch Bühler gab einen Einblick in die aktuelle Situation der Kommunen und spannte dabei einen Bogen in Richtung Landes- und Bundespolitik. Die rechtlichen Anforderungen und finanziellen Herausforderungen bei den Pflichtbereichen wie Kindertagesstätten, Schulen oder Verkehrsinfrastruktur stellen diese vor große Herausforderungen. Die Folge ist, dass für die freiwilligen Leistungen, wie beispielsweise die Vereinsförderungen, immer weniger Mittel übrig geblieben. Das Vereinsleben sei jedoch der Kit der Gesellschaft, gerade im ländlichen Raum. Des Weiteren wies Bürgermeister Gregor Bühler darauf hin, dass ein Bürokratieabbau insbesondere im öffentlichen Vergabewesen, dringend notwendig sei. Viele kleine Unternehmen würden gerne Leistungen für die Gemeinde Sasbach übernehmen, aber der immense Umfang der Vergabeunterlagen würden sie davon abhalten, Angebote für die öffentliche Hand abzugeben. Anpassungsbedarf sieht er ebenfalls beim § 2b Umsatzsteuergesetz (UStG). Diese Steuerreform der Großen Koalition tritt 2023 in Kraft und sorgt für einen wesentlich höheren Aufwand, wenn
Kommunen privatwirtschaftlich agieren und steuerpflichtig werden. Weiterhin sieht Bühler bei der Finanzierung die vielen Förderprogramme

kritisch. Es bestehe die Gefahr, dass Kommunen in Dinge investieren, die vor Ort gar nicht oberste Priorität haben, da die finanziellen Mittel sonst ausbleiben. „Wir haben eine Allzuständigkeit der Gemeinden und bei dieser Arbeit würden weniger Bürokratie und weniger Regulierung sehr helfen. Wir wissen vor Ort am besten, was zu tun ist und brauchen die entsprechenden Handlungsspielräume“, so Bühler und ergänzte, „die Überregulierung führt oft zu höheren Personalkosten, jedoch gleichzeitig nicht zu Verbesserungen beim Dienst an der Bürgerschaft, § 2b UStG kann deshalb getrost wieder aus dem Gesetz entfernt werden“.

Der Kehler FDP-Vorsitzende Benedikt Eisele betonte, dass man in der FDP die Problematik erkannt habe. Er arbeitet selbst für eine Stadt. Die FDP Baden-Württemberg hat auf Antrag aus der Ortenau auf ihrem letzten Landesparteitag beschlossen, die Schlüsselzuweisungen für die Kommunen zu erhöhen. Die Schlüsselzuweisungen gehen den Kommunen direkt zu und stehen diesen im Gegensatz zu zweckgebundenen Förderprogrammen zur freien Verfügung. Insbesondere auch für freiwillige Leistungen wie Vereinsförderung oder Schwimmbäder. „In den Kommunen fehlt mittlerweile durch den Fachkräftemangel auch das Personal, um die 400-seitigen Förderprogramme durchzuarbeiten und noch Jahre später Dutzende Nachweise zu erbringen“, so Eisele zum Hintergrund der Thematik.

Anschließend erläuterte Florian Toncar die Sichtweise der Bundespolitik. Aufgrund der aktuellen politischen Lage ergeben sich große Herausforderungen, auch für die Bundespolitik, welche sowohl kurzfristige als auch langfristige Strategien erfordern. Die Befüllung der Gastanks aus alternativen Quellen wird in den kommenden Jahren zu einer finanziellen Mehrbelastung von ca. 30 Milliarden Euro führen. Würde man das Geld nicht investieren, drohten aber Versorgungsengpässe für die Bevölkerung und eine existentielle Bedrohung für die deutsche Wirtschaft. Dies gelte es zu verhindern. Der Staat wolle sich hierbei bei der Gasumlage nicht durch die Mehrwertsteuer bereichern. Man wollte deshalb die Mehrwertsteuer entfallen lassen. Dies ist jedoch aufgrund von EU-Vorschriften nicht möglich, weswegen nun ein verminderter Steuersatz von 7% auf das gesamte Gas vereinbart wurde.

Toncar ging im Folgenden auf die Debatte zur Schuldenbremse ein. In den vergangenen Jahren erlebte das Land mehrere tiefe Krisen. Mit Beginn der Corona-Pandemie sei es richtig gewesen, dass der Staat Schulden gemacht hat, um die Folgen von Lockdowns aufzufangen. Hierzu hätten auch nahezu alle Finanzexperten geraten. Die Bürger wollten Geld zum Beispiel für Konsumgüter ausgeben, konnten dies aber nicht, da es die Lockdowns und andere staatliche Maßnahmen gab. Die Betriebe und ihre Mitarbeiter mussten somit finanziell unterstützt werden, auch um einen Kollaps zu verhindern. Spätestens mit dem Krieg in der Ukraine entstand eine neue Krise, auf die finanzpolitisch anders reagiert werden muss. In Zeiten von Materialknappheit und einer Inflation von 7-9% würden schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme die Preise nur weiter in die Höhe treiben und zu einer weiteren Mehrbelastung der Bürgerinnen und Bürger führen. Zudem werden durch die steigenden Zinsen und die Inflation die Zinszahlungen für den Bund von 5 Milliarden Euro im letzten Jahr auf ca. 29 Milliarden Euro im kommenden Jahr steigen.

Zudem habe Deutschland auch eine Vorreiterrolle als Stabilitätsanker in Europa. „Sollten andere europäische Länder sehen, dass Deutschland sich dauerhaft so hoch verschuldet wie in den vergangenen Jahren, wird das überall Schule machen“, so Toncar. Die Strategie müsse daher sein, die Bürgerinnen und Bürger gezielt zu entlasten und die Schuldenbremse einzuhalten. Weiter berichtete Toncar, dass von den 2,4 Billionen Euro Schulden des deutschen Staates insgesamt 1,6 Billionen auf den Bund entfallen, 600 Milliarden auf die Länder und 200 Milliarden auf die Kommunen. „Im Coronajahr 2021 hat der Bund 215 Milliarden Schulden gemacht, während die Länder sogar einen
leichten Überschuss hatten. Im Verhältnis von Bund und Ländern müsste einiges reformiert werden, damit auch die finanziellen Mittel vom Bund, welche von den Ländern an die Kommunen verteilt werden, schneller und effizienter ankommen“, so Toncar. Der Bund habe für die nächsten vier Jahre das größte Investitionsbudget seiner Geschichte bereitgestellt. Man dürfe jedoch nicht vergessen, dass nur jeder zehnte Euro, der in Deutschland investiert wird, vom Staat komme. Die restlichen 90% würden vom Privatsektor getragen. Dies komme leider in der öffentlichen Debatte kaum zur Geltung.

In der anschließenden Fragerunde kam unter anderem das Thema Übergewinnsteuer auf. Toncar erläuterte, dass diese schwierig umzusetzen sei. Immer werde auf andere Länder verwiesen, doch in Italien zeige sich, dass die Erhebung nicht funktioniere und in Frankreich wurde das Vorhaben im Parlament gestoppt. „In England gibt es Ausnahmen wie das Verrechnen von Investitionen in erneuerbare Energien. Firmen wie BP, welche die Regelung im Wesentlichen treffen soll und welches sich mittlerweile Beyond Petroleum nennt, können von diesen Ausnahmen Gebrauch machen, so dass offen ist, ob und wie viel Zusatzsteuern sie bezahlen werden.“ Auch FDP-Kreisvorsitzender Johannes Baier, selbst Unternehmer aus Renchen-Ulm, konnte dieser Idee nichts abgewinnen: „Wenn der Staat in gute und schlechte Gewinne einteilt und ständig in die Preisbildung eingreift, nimmt er dem Markt diese grundlegenden Informationsmechanismen“, so Baier und weiter „gerade als Unternehmer finde ich es sehr bedenklich, wenn hinterher die Spielregeln geändert werden sollen“.